Lebensrettung, die unter die Haut geht

Menschen, die einen plötzlichen Herzstillstand erleiden, sterben oft innerhalb von Minuten. Meist kommt medizinische Hilfe zu spät. Ein Defibrillator, der Risikopatienten unter die Haut implantiert wird, kann Leben retten.

Plötzlich kippt man um. Einfach so. Zu Hause, auf der Arbeit, beim Sport oder im Theater: „Einen plötzlichen Herzstillstand überlebt nur einer von 20 Menschen“, sagt Dr. Yasser Hegazy, Oberarzt der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie am Herzzentrum in Lahr: „Die übrigen sterben meist, bevor sie das Krankenhaus erreichen“, beschreibt er die drastischen Konsequenzen des plötzlichen Herzstillstandes.

Wird dagegen dem Herzen während des lebensbedrohlichen Stillstands ein elektrischer Schock versetzt, dann verkehrt sich das krasse Verhältnis in sein Gegenteil um: „Mit einem implantierten Defibrillator überleben 95 Prozent der Patienten einen plötzlichen Herzstillstand“, erläutert Dr. Hegazy.

Die Implantation ist ein vergleichsweise unkomplizierter Eingriff, den Hegazy seit Jahren schon am Herzzentrum praktiziert: „Für uns ist solch ein Eingriff Standard, für den Patienten aber ein gewaltiger Schritt zu mehr Normalität im Alltag.“ Denn die Geräte ersetzen sozusagen den Notarzt: „Es ist wie ein implantierter Ersthelfer, der sofort das typische Kammerflimmern vor dem Herzstillstand erkennt und darauf mit einem elektrischen Schock reagiert“, erklärt Hegazy: „Ohne Schock steht das Herz und der Patient ist tot. So einfach ist das.“

Schnelle Reaktion ist beim Herzstillstand extrem wichtig: Etwa die Hälfte aller Herzstillstände ereignen sich aber unbeobachtet, weil der Patient alleine ist, so Hegazy: „Über 80 Prozent aller Herzstillstände passieren zu Hause oder am Arbeitsplatz.“

„Es gibt im Prinzip drei verschiedene Arten von Defibrillatoren“, erläutert der Oberarzt: „Externe Geräte kennt man aus öffentlichen Gebäuden wie Flughäfen und Behörden. Und aus Arztserien. Diese geben einen sehr starken Schock ab, weil die Elektroden außen angesetzt werden. Der große Nachteil: Sie sind selten da, wo man sie gerade braucht.“

Implantierte Kardioverter-Defibrillatoren, so genannte ICD, werden dagegen dauerhaft verpflanzt und sind stets einsatzbereit. „Der elektrische Schock ist weniger stark, die Elektroden sind ja tiefer im Körper.“

Die Lahrer Herzspezialisten bieten seit drei Jahren auch subkutane Defibrillatoren (S-ICD-Systeme) an – und damit die am wenigsten invasive Variante für den Patienten. Ein echter Vorteil, befindet Hegazy: „Die allerersten Defibrillatoren wurden in den 80er Jahren noch in den Bauch implantiert.“ Heute werden „Defis“ meist nahe dem Schlüsselbein eingepflanzt. „Die Kabel werden durch die Venen ins Herz geschoben, dort werden die Elektroden innen an der Herzwand befestigt“, so der Mediziner. „Das funktioniert, verursacht aber langfristig oft Probleme.“

Denn die Elektroden in den Blutgefäßen können Infektionen bis hin zur Entzündung des Herzmuskels verursachen. Zudem können sich an den Fremdkörpern Gerinnsel und damit gefährliche Thrombosen bilden. Auch mechanische Belastungen machen das System anfällig: „Das Kabel knickt mit jeder Bewegung von Schulter oder Oberarms ab, oft stellen wir nach nur zehn Jahren einen Verschleiß fest.“ Der subkutan implantierbare Defibrillator minimiert diese Risiken: Das System liegt nicht in der Blutbahn, das Herz wird nicht angetastet, denn die Elektroden befinden sich außerhalb des Brustkorbs unter der Haut. „Kammerflimmern erkennt es genau so zuverlässig“, sagt Hegazy.

Die Geräte seien sehr ausgereift, betont der Chirurg. Die unkomplizierte minimalinvasive Operation ist ein Routineeingriff in Lahr: „Sie dauert gut 30 Minuten. Mit dem subkutanen ICD bieten wir das ganze Spektrum an und finden für jeden Patienten die passende Lösung.“ Nach der OP können sich die Patienten wieder belasten und sorgenfrei Sport treiben, die Elektroden werden mechanisch kaum belastet.

„Menschen mit dem Risiko für einen plötzlichen Herztod haben eigentlich immer Angst. Angst vor Sport, Angst vor dem Fliegen. Angst vor Aktivitäten. Ihr ganzes Leben ist negativ beeinflusst. Mit dem S-ICD erhalten sie eine Chance, nahezu dasselbe Leben zu führen wie früher – soweit das eben möglich ist.“

Ihr Ansprechpartner

Ass. Prof. Dr. (Univ. Alex.) Yasser Hegazy

Ass. Prof. Dr. (Univ. Alex.) Yasser Hegazy

Leitender Oberarzt der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie Leiter der Rhythmuschirurgie und Sondenextraktion

MEDICLIN Herzzentrum Lahr